II
Alkahest, der junge Magier, der die schone Oberpriesterin Aspasia mit dem Mahrchen von Psyche unterhalten sollte, beginnt seine Erzahlung mit einer Schilderung der goldnen Zeit, die in dem ersten Buche der Grazien einen schicklichen Platz gefunden hat. Und nun fahrt die Erzahlung des Dichters folgender Maben fort:
Hier kommt, mit Recht, ein unaufhaltbar’s Gahnen
Die aufmerksame Freundin an;
Sie weist dem jungen Mann die schonste Reih’ von Zahnen
Um schonsten Munde, der sich jemahls aufgethan:
“Und Psyche – gahnt sie aus – war damahls schon geboren?”
Sie zupfen mich zu rechter Zeit, Madam,
(Spricht Alkahest) ein wenig bey den Ohren;
Ich weib nicht wie ich da ins Fantasieren kam;
Und Psyche – In der That, der Faden ist verloren –
Wir mussen schon zuruck! – In dieser goldnen Zeit
Wovon die Rede war – Die Wendung, ich gestehe,
Ist etwas rasch, allein der Umweg war zu weit.
Das beste scheint mir itzt, ich gehe
Den nachsten Weg zuruck in meine Bahn,
Und fange – bey dem Anfang an.
In jenen goldnen Tagen dann,
Wo? gilt uns gleich, lebt’ eine junge Dirne,
Das angenehmste Ding, das man
Mit einem Schaferstab und Rosen um die Stirne
Sich denken mag. Ihr Ursprung, unbekannt;
Es ward davon verschiedentlich gesprochen;
Doch weil man sie an einer Hecke fand,
Gab der gemeine Wahn, von ihrem Reitz bestochen,
Ihr Dschinnistan zum Vaterland;
Denn ihre Warterin gestand,
Die Windeln hatten nach Ambrosia gerochen.
Wie dem auch sey, genug aus Leda’s Ey
War nichts so liebliches wie Psyche ausgekrochen.
Sie schien beym ersten Blick die reitzendste Kopey
Von einem Urbild aus dem Lande der Ideen;
Ganz Seele, ganz Gefuhl, oft bis zur Schwarmerey,
Und dann, die Wahrheit zu gestehen,
Geneigt im Rausch der suben Raserey
Den ersten jungen Faun fur Amorn anzusehen,
Auch ihren Neigungen nicht immer sehr getreu;
Gefallig sonst und bildsam, leicht zu leiten,
Oft gar zu leicht, wiewohl zu andern Zeiten
Voll Eigensinn, von Launen selten frey,
Und sinnreich, sich aus einer Kinderey
Bald Stoff zur Lust und bald zur Unlust zu bereiten;
Der Ruhe hold, und doch nie ruhig; arbeitscheu,
Doch unermudet zum Vergnugen;
Leichtglaubig allem was ihr neu
Und unbegreiflich schien, und, wenn ihr Herz dabey
Gewann, ein wenig rasch sich selber zu betrugen;
Doch ohne dab das gute Herz dabey
An Arges dachte; frank und frey
Von Arglist und von Schadenfreude,
Der Schwermuth herzlich gram so wie der Gleibnerey;
Kurz, gar ein gutes Kind, das seine Augenweide
An Andrer Wonne sag, und, wenn sie selbst der Freude
Sich uberlieb, in ihrer Fantasey
Rings um sich her gleich alles glucklich machte,
Fest uberzeugt, und sehr vergnugt dabey,
Dab eine Welt, worin ihr alles lachte,
Die beste aller Welten sey.
So war sie, da sie aus den Handen
Der Mutter Isis kam; noch ungebildet zwar,
Doch voller Stoff. Sie auszubilden war
Der Musen Amt, sie zu vollenden
Der Grazien – Was fehlt zur Gottin ihr?
Der Gotter Gluck. Auch dieb ihr zuzuwenden,
Gebuhrt allein, o Gott der Liebe, Dir!