Variationen zum Leierkasten
Guter Mond, du gehst so stille
Ueber Deutschlands Fluren hin
Vetter Michel ruckt die Spille,
Greift sein Weibchen unter’s Kinn;
Nimmt das Amtsblatt, streckt die Glieder
Und spricht gahnend: ‘s ist schon Zehn
Morgen kochst du Klobe wieder;
Lab’ uns jetzt zu Bette gehn.
Guter Mond, du gehst so stille
Ueber Deutschlands Fluren hin!
Doctor Bos legt ab die Brille,
Denkt des Tages Hochgewinn;
Einer Ode von Horazen
Gab er neuen Commentar;
Froh bringt er, nach den Strapatzen,
Morpheus nun sein Opfer dar.
Guter Mond, du gehst so stille
Ueber Deutschlands Fluren hin!
Vor der alten Hauspostille
Sitzt die fromme Kupplerin;
Von Theater-Liebsgeschichtchen
Kehret heim der Intendant;
Druben ist das Dreierlichtchen
Beim Studenten abgebrannt.
Guter Mond, du gehst so stille
Ueber Deutschlands Fluren hin!
Des Ministers letzter Wille
Zeugt von hochst loyalem Sinn:
Hundert Schriften sind verboten,
Sagt das neue Abendblatt;
Auch find’t kunftighin bei Todten
Nur censirtes Reden Statt.
Guter Mond, du gehst so stille
Ueber Deutschlands Fluren hin!
Seine Durchlaucht liest Pasquille
Auf Hochst Ihre Buhlerin;
Dafur macht er null und nichtig,
Was die Stande woll’n und thun;
Denkt noch der Parade fluchtig,
Und geruhet dann zu ruhn.
Guter Mond, du gehst sehr stille
Ueber’s stille Deutschland hin!
Zirpen hort man schon die Grille;
Stumm ist jeder Lebenssinn.
Selbst die Orgeltone rasten,
Weil ihr Herr nicht drehen will,
Und der deutsche Leierkasten
Steht auf ein’ge Stunden still.