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Die Gottinn der Liebe

Amathunt und Cythera und Paphos (erinnerst du dich der Geschichte: Sophia, du schlankes Madchen?) stritten uber den Besitz der Gottinn der Liebe, den jedes dem andern beneidete. Man sagte, die Gottinn wurde selbst erscheinen, den Zwist zu entscheiden, und die Thaler waren voll von Junglingen mit rosenbekranzten Haaren, und von Madchen, die zwischen den Blumen und Schmetterlingen spielten. Indeb, da der Abendstern winkte, sprang meine Schalkhafte ins Freye, und trotzte mir, dab ich sie nicht einholen sollte, und glitt schnell uber die thauigte Ebne hinweg, wie Fruhlingslufte uber ein Veilchenbeet: da hattet ihr mich sollen laufen sehn! das Madchen voran, ich hinter dem Madchen, und alle Junglinge und Madchen schreyend hinter mir her! Ich wubte nicht, warum die Junglinge und Madchen hinter mir hereilten, und lief aus Furcht nur desto schneller:allein das Gedrange holte uns ein, und ungestuhmer ward das Geschrey:

Gottinn, Gottinn zarter Herzen,
O du bists mit deinen Scherzen!
Dein Gefolg sind Lusternheit,
Muthwill, laute Frohlichkeit,
Anmuthsvolle Spottereyen,
Winke, Blicke, Tandeleyen!
Seht, o seht an ihren Wangen
Alle Lachelgeister hangen,
In der Wangen Grubchen lauschen,
Und in Wonne sich berauschen!

So riefen die Junglinge und Madchen; und ich schaute uber mir, seitwarts, ruckwarts, um die Gottinn wahrzunehmen; aber ich sah sie nicht, auch ihren Wagen nicht, noch ihre Tauben. Zuletzt erhaschten sie meine Schone; da ward ich den Irrthum gewahr; ich konnte ihnen denselben verzeihen.

In meines Madchens Augenliedern blinken,
Die Geister von zehntausend holden Winken,
Gleich dem Gestirn in heller Nacht.
Es drangt sich, wie auf Knospen junger Rosen,
Der keuschen Freuden Heer, sie liebzukosen,
Auf ihren Lippen, wenn sie lacht.

Venus, rief ich der Jugend aus Amathunt und Paphos und Cythera zu, ist schon lange nicht mehr von ihren Grazien und Liebesgottern begleitet gewesen. Sucht sie in dem idalischen Hayne, im Palast des Adonis; aber ich verlasse euch mit meinem Madchen im Arme. – Sie sahen uns traurig nach, und haben seitdem nie wieder uber den Besitz der Gottinn der Liebe gestritten.

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Die Gottinn der Liebe - HEINRICH WILHELM VON GERSTENBERG