Українська та зарубіжна поезія

Вірші на українській мові






Jung gewohnt, alt getan

Die Schenke drohnt, und an dem langen Tisch
Ragt Kopf an Kopf verkommener Gesellen;
Man pfeift, man lacht; Geschrei, Fluch und Gezisch
Ertonte an des Trankes truben Wellen.

In dieser Wuste glanzt’ ein weisses Brot,
Sah man es an, so ward dem Herzen besser;
Sie drehten eifrig draus ein schwarzes Schrot
Und wischten dran die blinden Schenkemesser.

Doch einem, der da mit den andern schrie,
Fiel untern Tisch des Brots ein kleiner Bissen;
Schnell fuhr er nieder, wo sich Knie an Knie
Gebogen drangte in den Finsternissen.

Dort sucht’ er selbstvergessen nach dem Brot,
Doch da begann’s rings um ihn zu rumoren,
Sie brachten mit den Fussen ihn in Not
Und schrien erbost: “Was, Kerl, hast du verloren?”

Errotend taucht’ er aus dem dunklen Graus
Und barg es in des Tuches grauen Falten.
Er sann und sah sein ehrlich Vaterhaus
Und einer treuen Mutter hauslich Walten.

Nach Jahren aber sass derselbe Mann
Bei Herrn und Damen an der Tafelrunde,
Wo Sonnenlicht das Silber uberspann
Und in gewahlten Reden floh die Stunde.

Auch hier lag Brot, weiss wie der Wirtin Hand,
Wohlschmeckend in dem Dufte guter Sitten;
Er selber hielt’s nun fest und mit Verstand,
Doch einem Fraulein war ein Stuck entglitten.

“O lassen Sie es liegen!” sagt sie schnell;
Zu spat, schon ist er untern Tisch gefahren
Und spaht und sucht, der narrische Gesell,
Wo kleine seidne Fusschen stehn zu Paaren.

Die Herren lacheln und die Damen ziehn
Die Sessel scheu zuruck vor dem Beginnen;
Er taucht empor und legt das Brotchen hin,
Errotend hin auf das damastne Linnen.

“Zu artig, Herr!” dankt ihm das schone Kind,
Indem sie spottisch lachelnd sich verneigte;
Er aber sagte hoflich und gelind,
Indem er sich gar sittsam tief verbeugte:

“Wohl einer Frau galt meine Artigkeit,
Doch Ihnen diesmal nicht, verehrte Dame!
Es galt der Mutter, die vor langer Zeit
Entschlafen ist in Leid und bittrem Grame.”

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Jung gewohnt, alt getan - GOTTFRIED KELLER