Abendlied
Es hat nunmehr die Abendrot
Den Purpur ausgebreitet,
In dem die Sonne Meerwarts geht
Und lange Schatten leitet.
Die Sonn, ein Bild der Ewigkeit,
Tagt wiederumb zur MorgenZeit
Und machet uns bedencken,
Dab unsre Seel’ auch ewigt sey
Wie Gott, der sie geschaffen frey,
Ohn Ziel und Zahl-beschrencken.
2.
Gleich wie der guldne Sonnen Stral
Pflegt Pfeilgeschwind zu streichen,
So hat GOTT seiner Allmacht mahl
Den Menschen wollen zeichen.
Er heisst mit Fug der Erst und Letzt,
Der uns so Tags, so Nachts ergotzt
Als Wercke seiner Hande.
Gott ist gewesen vor der Zeit,
Und fur ihm bleibets stetig Heut
Ohn Anfang und ohn Ende.
3.
Gott wohnt in einem hellen Liecht,
Das kein Mensch mag erkennen:
So kan niemand bedencken nicht,
Was Ewigkeit zu nennen;
Dann ihre Zahl ist mehr dann viel
Und ist ein Wesen sonder Ziel,
Ein Abgrund ohn ergrunden,
Der Gleichnisweis ist eine Nacht,
Die Sinn und Augen finster macht
Und sich nicht lasst erfinden.
4.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit
Ist GOTT der HERR gewesen,
Der uns vor aller Zeiten Zeit
Zum Leben auserlesen,
Wenn wir nicht selbst durch Sund und Schand,
Verlierend solchen Engel Stand,
Der Hollen Tod erwehlen
Und in des Hertzes letztem Bruch
Den Segen wandlen in den Fluch
Zum Schaden unsrer Seelen.
5.
O Ewig, Ewig fort und fort,
Wer kan dich doch ausdencken?
Du bist ein schweres Donner-Wort
Und musst die Sunder krancken,
Die Ewig leiden alle Qual,
Weil sie versaumt die Gnaden-Wahl
Auf dieses Lebens Schwelle.
Wir bitten dich, HERR Jesu Christ,
Der du uns Ewig gnadig bist:
Behut uns fur der Holle!