Der Blick
I
Sahst du den Blick schon, der vom Auge flieht,
Wenn Liebe hart getroffen bis ins Mark,
Mit Hohn verstoben, in ihr Innres flieht?
Wie hell war sonst dies Auge, frei und stark.
Nun gleicht es einer Scheibe truben Bleis,
So seelenlos, so matt, so ohne Licht.
Ein Vorhang liegt vor diesem Auge weib.
Voll Neugier fragst du: Sieht es, sieht es nicht?
Kehr um! Du siehst nicht, dab ihm Gift entschwebt.
Mit seinem Hauche schwangert es die Luft,
Wie von dem Kranken wider dich sich liebt
Des Auswurfs und des Eiters warmer Duft.
Dies Gift ist todlich, das der Seel entquillt,
Die, da sie bluhen wollte, ward gefallt.
Und niemand ist, der ihre Wunde stillt,
Die wie ein rotes Maul zum Himmel bellt.
Der Bernstein selber ware ihm erlegen,
Der sonst des Giftes Kraft zu brechen weib.
Ihm unterlage Mithradates’ Segen,
Der Herr war in asiatscher Gifte Kreis.
Niemals vergibt du dieses Blicks Gewalt.
Siehst du ihn wieder, du erkennst ihn gleich:
Wenn auf den Block ein Morder wird geschnallt
Und seine Augen warten auf den Streich.
II
Befreit. Erlost. So kehrt das Meer zum Strande
Aus seinen Hohlen, aus der Mitternacht,
Wenn Morgenstrahlen zittern auf dem Sande.
In Purpur rollt heran die blaue Pracht.
Sie schlagt das Festland ein mit lautem Brausen,
In ihrer Freude wildem Überschwang.
Vom Meere schallt der hohen Winde Sausen,
Und der Tritonen bunter Hornerklang.
So blickt der Schopfer einer neuen Welt,
Der Segler, der durchs All den Pfad gefunden.
Der die Erkenntnis in den Handen halt,
Der nach und nach er rang durch manche Stunden.
Schiffbruchiger Matrosen Augen schauen
Mit diesem Scheine, denen rief der Spaher:
“Ein Schiff. Ein Schiff. Sie lassen von den Tauen
Die Boote schon. Sie rudern nah und naher.”
Das ist der Blick des Bergmanns, den sie hoben
Aus tagelangem Dunkel in das Licht.
Die schon vergebne Sonne sieht er droben.
Und von der Freude glanzt sein Angesicht.
Die Gotter selber, die in dunkle Sphare
Gestoben wurden von dem bleichen Mann,
Kehrn zu den Thronen, brennen die Altare
An dieses Auges hohem Glanze an.