Auf der Fahrt nach Berlin
Von Westen kam ich, – schwerer Haideduft
Umflob mich noch, vor meinen Augen hoben
Sich weibe Birken in die klare Luft,
Von lauten Schwarmen Krahenvolks umstoben,
Weit, weit die Haide, Hugel gelben Sand’s,
Und binsenuberwachs’ne Wasserkolke,
Fern zieht ein Schafer in des Sonnenbrand’s
Braungluhendem Reich vertraumt mit seinem Volke.
Von Westen kam ich und mein Geist umspann
Weichmuthig rasch entschwund’ne Jugendtage,
War’s eine Thrane, die vom Aug’ mir rann,
Klang’s von dem Mund wie sehnsuchtsbange Klage? …
Von Westen kam ich und mein Geist entflog
Voran und weit in dunkle Zukunftstunden…
Wohl hob er machtig sich, sein Flug war hoch,
Und Schlachten sah er, Drang und blut’ge Wunden.
Vorbei die Spiele, durch den Nebelschwall
Des grauenden Septembermorgens jagen
Des Zuges Rader, und vom dumpfen Schall
Stohnt, drohnt und saust’s im engen Eisenwagen…
Zerzauste Wolken, winddurchwuhlter Wald
Und braune Felsen schieben wirr voruber,
Dort graut die Havel, und das Wasser schwallt,
Die Brucke, hei! dumpf braust der Zug hinuber.
Die Fenster auf! Dort druben liegt Berlin!
Dampf wallt empor und Qualm, in schwarzen Schleiern
Hangt tief und steif die Wolke druber hin,
Die bleiche Luft druckt schwer und liegt wie bleiern…
Ein Flammenheerd darunter – ein Vulkan,
Von Millionen Feuerbranden lodernd, …
Ein Paradies, ein subes Kanaan, –
Ein Hollenreich und Schatten bleich vermodernd.
Hindonnernd rollt der Zug! Es saust die Luft,
Ein anderer rast dumpfrasselnd risch voruber,
Fabriken rauchgeschwarzt, im Wasserduft
Glanzt Flamm’ um Flamme, duster, trub’ und truber,
Engbrust’ge Hauser, Fenster schmal und klein,
Bald braust es dumpf durch dunkle Bruckenbogen,
Bald blitzt es unter uns wie grauer Wasserschein,
Und unter Kahnen wandeln mud’ die Wogen.
Vorbei, voruber! und ein geller Pfiff!
Weib fliegt der Dampf, … ein Knirschen an den Schienen!
Die Bremse stohnt laut unter starkem Griff…
Langsamer nun! Es glanzt in Aller Mienen!
Glashallen uber uns, rings Menschenwirr’n, …
Halt! Und “Berlin!” Hinaus aus engem Wagen!
“Berlin!” “Berlin!” Nun hoch die junge Stirn,
Ins wilde Leben lab dich machtig tragen!
Berlin! Berlin! Die Menge drangt und wallt,
Wirst du versinken hier in dunklen Massen…
Und uber dich hinschreitend stumm und kalt,
Wird Niemand deine schwache Hand erfassen?
Du suchst – du suchst die Welt in dieser Flut,
Suchst gluhende Rosen, grune Lorbeerkronen, …
Schau dort hinaus! … Die Luft durchquillt’s wie Blut,
Es brennt die Schlacht und Niemand wird dich schonen.
Schau dort hinaus! Es flammt die Luft und gluht,
Horch Geigenton zu Tanz und upp’gem Reigen!
Schau dort hinaus, der fahle Nebel spruht,
Aus dem Gerippe nackt herniedersteigen…
Zusammen liegt hier Tod und Lebenslust,
Und Licht und Nebel in den langen Gassen
Nun zeuch hinab, so stolz und selbstbewubt,
Welch’ Spur willst du in diesen Fluten lassen?