Bey dem fruhzeitigen Hintritte eines jungen Gelehrten
Wie sehr, o Mensch! vergehst du dich
Mit deinen weitgestreckten Blicken!
Du wahnst und hoffst, es musse sich
Nach deinen kuhnen Wunschen schicken;
Du willst dich von der Menschlichkeit
Vor Uebermuth und Stolz entfernen,
Und steckest aus Verwagenheit
Dein Ziel oft uber allen Sternen;
Bis unverhofft die Todesnacht
Dir Blick und Ziel zu schanden macht.
Bald willst du dir dein Marmorhaus
Bis uber alle Wolken bauen:
Doch mubt du der Verwesung Graus
Vor halb vollbrachter Arbeit schauen.
Bald willst du dir der Erden Mark
Durch deiner Schlosser Stahl versichern:
Indeb umschliebt dich selbst dein Sarg
Mit unverhofften Grabetuchern.
Dann schluckt der Abgrund Fleisch und Bein,
Statt des geraubten Goldes, ein.
Der eine Thor labt Speis und Trank
Aus Osten, Sud und Westen bringen.
Kaum ist er satt, so wird er krank;
So will ihn selbst die Gruft verschlingen.
Ein andrer klimmt sich an den Thron
Der kleinen Gotter dieser Erden,
Und will, wo nicht ihr liebster Sohn,
Doch Freund und Rath und Diener werden:
Jedoch, eh ihn das Gluck gekannt,
Bedeckt ihn schon des Grabes Sand.
Will mancher nicht durch Brand und Mord
Den halben Erdkreis wuste machen?
Doch mub er unversehens fort,
Und wirkt der frohen Welt ein Lachen.
Ward nicht der tollen Herrschsucht gar
Die weite Menschenwelt zu enge?
Doch eh sie damit fertig war,
Begieng man schon ihr Leichgeprange;
Und so blieb auch der sichre Mond
Von ihrer Waffen Wuth verschont.
O! dorfte nur die Tugend nicht
Der Todessichel unterliegen;
Und konnte nur der Weisheit Licht
Der Graber Finsternib besiegen!
Doch dieser unumschrankten Macht
Kann keines Menschen Starke pochen:
Auch hier wird oft durch Tod und Nacht
Der schonste Vorsatz unterbrochen:
Auch wer nach Witz und Klugheit strebt,
Hat oft zu zeitig ausgelebt.
Erblabter = =! werther Freund!
Du fruhes Beyspiel dieser Klagen!
Wer hatt es wohl so bald gemeynt,
Dich in die kuhle Gruft zu tragen?
Was hilfts, dab dein bemuhter Fleib
Den Wissenschaften nachgerungen;
So, dab Minervens Lorberreis,
Schon dein gelehrtes Haupt umschlungen?
Was hilft dir aller Musen Gunst?
Der Tod fragt nichts nach Geist und Kunst.
Dein sanftes Wesen, dein Gemuth,
Dein tugendhaftes stilles Leben,
Hat in der Welt umsonst gebluht,
Und kann ihr keine Fruchte geben.
Drum klagt, wer dich nur halb gekannt,
Drum mussen deine Freunde weinen:
Denn wer dich liebenswurdig fand,
Mag hier nicht unempfindlich scheinen.
Mir selbst ist herzlich leid um dich,
Mein Jonathan, mein andres Ich!
Ihr, theuren Aeltern, thut zwar recht,
Dab ihr den liebsten Sohn beklaget;
Zumal ihr euer ganz Geschlecht
Mit ihm zugleich zu Grabe traget.
Doch denkt an den, der ihn geraubt;
Ists nicht der Vater aller Liebe?
Da gehts ihm besser, als ihr glaubt;
Als wenn er langer bey uns bliebe:
Da werdet ihr, nach kurzem Flehn,
Ihn voller Freuden wieder sehn.