Der Taugenichts
Die ersten Veilchen waren schon
Erwacht im stillen Tal;
Ein Bettelpack stellt’ seinen Thron
Ins Feld zum ersten Mal.
Der Alte auf dem Rucken lag,
Das Weib, das wusch am See;
Bestaubt und unrein schmolz im Hag
Das letzte Hauflein Schnee.
Der Vollmond warf den Silberschein
Dem Bettler in die Hand,
Bestreut’ der Frau mit Edelstein
Die Lumpen, die sie wand;
Ein linder West blies in die Glut
Von einem Dorngeflecht,
Drauf kocht’ in Bettelmannes Hut
Ein sundengrauer Hecht.
Da kam der kleine Betteljung’,
Vor Hunger schwach und matt,
Doch gluhend in Begeisterung
Vom Streifen durch die Stadt,
Hielt eine Hyazinthe dar
In dunkelblauer Luft;
Dicht drangte sich der Kelchlein Schar,
Und selig war der Duft.
Der Vater rief: “Wohl hast du mir
Viel Pfennige gebracht?”
Der Knabe rief: “O sehet hier
Der Blume Zauberpracht!
Ich schlich zum goldnen Gittertor,
So oft ich ging, zuruck,
Bedacht nur, aus dem Wunderflor
Zu stehlen mir dies Gluck!
O sehet nur, ich werde toll,
Die Glocklein alle an!
Ihr Duft, so fremd und wundervoll,
Hat mir es angetan!
O schlaget nicht mich armen Wicht,
Lasst Euren Stecken ruhn!
Ich will ja nichts, mich hungert nicht,
Ich will’s nicht wieder tun!”
“O wehe mir geschlagnem Tropf!”
Brach nun der Alte aus,
“Mein Kind kommt mit verrucktem Kopf,
Anstatt mit Brot nach Haus!
Du Taugenichts, du Tagedieb
Und deiner Eltern Schmach!”
Und rustig langt’ er Hieb auf Hieb
Dem armen Jungen nach.
Im Zorn frass er den Hecht, noch eh’
Der gar gesotten war,
Schmiss weit die Grate in den See
Und stulpt’ den Filz aufs Haar.
Die Mutter schmalt mit sanftem Wort
Den missgeratnen Sohn,
Der warf die Blume zitternd fort
Und hinkte still davon.
Es perlte seiner Tranen Fluss,
Er legte sich ins Gras
Und zog aus seinem wunden Fuss
Ein Stucklein scharfes Glas.
Der Gott der Taugenichtse rief
Der guten Nachtigall,
Dass sie dem Kind ein Liedchen pfiff
Zum Schlaf mit sussem Schall.