An die Unerkannte
Kennst du sie, die selig, wie die Sterne,
Von des Lebens dunkler Woge ferne
Wandellos in stiller Schone lebt,
Die des Herzens lowenkuhne Siege,
Des Gedankens fesselfreie Fluge
Wie der Tag den Adler, uberschwebt?
Die uns trifft mit ihren Mittagsstrahlen,
Uns entflammt mit ihren Idealen,
Wie vom Himmel, uns Gebote schickt,
Die die Weisen nach dem Wege fragen,
Stumm und ernst, wie von dem Sturm verschlagen
Nach dem Orient der Schiffer blickt?
Die das Beste gibt aus schoner Fulle,
Wenn aus ihr die Riesenkraft der Wille
Und der Geist sein stilles Urteil nimmt,
Die dem Lebensliede seine Weise,
Die das Mab der Ruhe, wie dem Fleibe
Durch den Mittler, unsern Geist, bestimmt?
Die, wenn uns des Lebens Leere totet,
Magisch uns die welken Schlafe rotet,
Uns mit Hoffnungen das Herz verjungt,
Die den Dulder, den der Sturm zertrummert,
Den sein fernes Ithaka bekummert,
In Alcinous Gefilde bringt?
Kennst du sie, die uns mit Lorbeerkronen,
Mit der Freude bebrer Regionen,
Ehe wir zu Grabe gehn, vergilt,
Die der Liebe gottlichstes Verlangen,
Die das Schonste was wir angefangen,
Muhelos im Augenblick erfullt?
Die der Kindheit Wiederkehr beschleunigt,
Die den Halbgott, unsern Geist, vereinigt
Mit den Gottern, die er kuhn verstobt,
Die des Schicksals ehrne Schlusse mildert,
Und im Kampfe, wenn das Herz verwildert,
Uns besanftigend den Harnisch lost?
Die das Eine, das im Raum der Sterne,
Das du suchst in aller Zeiten Ferne
Unter Sturmen, auf verwegner Fahrt,
Das kein sterblicher Verstand ersonnen,
Keine, keine Tugend noch gewonnen,
Die des Friedens goldne Frucht bewahrt?