Українська та зарубіжна поезія

Вірші на українській мові






III

Psyche befand sich, unmittelbar vor dem Augenblicke, da dieses Fragment anfangt, in der Gemuthsstimmung, fur einen jungen Hirten, mit welchem sie erzogen worden war, etwas zu empfinden, das mehr den Nahmen einer Anlage zur Zartlichkeit als einer leidenschaftlichen Liebe verdiente.

So zartlich fuhlte sich ihr junges Herz noch nie.
Aus Neugier halb und halb aus Sympathie
Zieht sie die Hand, die er ergreift, zurucke,
So reitzend ungewib, dab Er an seinem Glucke
Nicht zweifeln kann. Doch, wie er, hoch entzuckt,
Die schone Hand – noch nicht an seine Lippen druckt,
Nur eben drucken will – in diesem Augenblicke
Wird Psyche schnell empor geruckt,
Und durch die Luft, verfolgt von seinen Klagen,
Wie leichter Flaum vom Zefyr fortgetragen.

Mit diesen Versen schlob das zweyte Buch, und was nun folget, machte einen Theil des dritten aus.

* * *

Wo bin ich? Welch ein Ort? Wer brachte mich hierher?
Rief Psyche, da sie sich, als wie von ungefahr,
Auf weichem Moos, beschneyt von Rosenblattern
Und mit Schasmin, an eine Myrtenwand
Gelehnt, an einem Ort, der wurdig schien von Gottern
Bewohnt zu seyn, auf einmahl wieder fand.

Sie dreht mit zweifelhaften Blicken
Sich schuchtern um, und fragt sich ob sie wacht?
“Traumt’ ich bisher? – Vor wenig Augenblicken,
Wo war ich da? – Nicht hier! – In Hirtentracht
Schien mir die Hand ein Liebesgott zu drucken.
Es war ein Traum! – Und doch – Nein, nein,
Es kann kein Traum gewesen seyn!
Er lauscht gewib in diesen Myrten.”

Sie sucht, und findet wieder Hirten
Noch Liebesgott; ganz einsam ist der Hain,
Nur zartlich girrende verliebte Turteltauben
Bewohnen ihn, und fliehen nicht vor ihr.

Ihr Wunder steigt und ihr Neubegier
Mit jedem Blick. Was soll sie glauben?
“Wie? ruft sie, war ich nicht kaum eine Schaferin?
War’s nur ein Traum aus dem ich itzt erwachte?
Das fuhl’ ich doch, je mehr ich mich betrachte,
Dab ich noch stets die kleine Psyche bin!”

Und dennoch eilet sie zu einer Quelle hin,
Die im Gebusch ihr Murmeln sichtbar machte.
Ihr erster Blick erkennt die reitzende Gestalt,
Mit welchem innigen Entzucken!
Sie streckt die Arme aus, mit liebevollen Blicken
Die schone Brust, die ihr entgegen wallt,
An ihr aufwallend Herz zu drucken.
So zartlich liebten sich zwey schone Schwestern nie.
Sey immerhin der junge Hirt verschwunden!
Verschwunden war er flugs aus ihrer Fantasie
Und alle Welt mit ihm, so bald sie – sich gefunden.

Noch schwebt sie uber dem bezaubernden Gesicht,
Als eine Stimme sie in dieser Wonne storet;
Musik war jeder Ton; sie schaut empor und horet,
Doch wen sie hore, sieht sie nicht.

“Kann Psyche noch mit ihrem Schatten spielen,
Sie, die der schonste Gott zum Lieblich sich erkiest?
O wubte sie wie schon er ist,
Wie wurde sie zu ihm sich hingerissen fuhlen!
Sie, die der schonste Gott zu seiner Braut erkiest,
Sie fuhlte sich zu grob mit Puppen noch zu spielen.”

So sang die Stimm’ und schwieg. Das Madchen schaut empor
Und um sich her, sieht niemand, lauscht betroffen
Dem Wohlklang nach, der im entzuckten Ohr
Noch wiedertont. – “Wer heibt so stolz mich hoffen?
Hort’ ich auch recht? Ein Gott, der liebte mich?
Der schonste Gott? – Warum verbarg’ er sich?”

“Dein Aug’ ist noch zu schwach sein Anschaun zu ertragen,
(Versetzt die Stimm’) obschon gewohnt doch selbst zu sehn;
Du wurdest, Psyche, vor Behagen
Und Wonne, sollt’ er dir erscheinen, gleich vergehn.”

Auf die Gefahr, denkt Psyche, wollt’ ichs wagen,
Und lachelt madchenhaft ihr Bild im Wasser an.
Sie mochte gern noch dieb und jenes fragen,
Allein die Stimme schweigt. Auch Sie verstummt’ und sann
Der Wunderstimme nach und dieser neuen Liebe.

“Mich liebt ein Gott! So war es seine Macht
Was mich hieher in einem Wink gebracht?
Der schonste Gott? – Gewib der Gott der Liebe!
Gewib er selbst! Noch nie gefuhlte Triebe
Und sube Schauer sagen mir,
Sein Hain sey dieb! Wer anders herrschte hier?
O, die ihr euch in diesen Myrten gattet,
Ihr Taubchen, leitet meinen Fub
Zur Laube hin, die ihn umschattet,
O zeigt ihn mir, und Psychens erster Kub
Sey euer Lohn!”

Dionens Vogel ruhret
Der sube Lohn. Sie wird auf einem Blumenpfad
In lieblich irrenden Gebuschen fortgefuhret,
Und nahet unvermerkt dem angenehmsten Bad.

Ah! welche ein Anblick! – Rosenhecken,
Mit Efeu unterwebt, verhullen und entdecken
Zugleich das Lieblichste, was Augen jemahls sahn.
Darf sie der Gotterscene nahn?
Sie darf. Ein Zefyr schwebt voran
Und zieht den Vorhang weg. O gottliches Vergnugen!
Auf Blumen, welche, leicht wie Geist
Und hell wie Luft, ein sanfter Quell befleubt,
Sieht sie die Huldgottinnen liegen.
Wie schon gruppiert! Wie reitzend schwesterlich!
Zum Spiel beschaftigt, Blumenketten
Um lose kleine Amoretten
Zu winden, welche schmeichelnd sich
Um jeden runden Arm und weiben Nacken schmiegen,
Hier schlau versteckt aus schwarzen Locken lacheln,
Dort sich auf Lilienbusen wiegen,
Und ihre rege Gluth mit goldnen Schwingen facheln.

Ein Mahler mocht’ ich seyn, wie dieser Augenblick
Auf Psychen wirkte, auszudrucken!
Dieb sube Schaudern, dieb Entzucken
Gemahlt von Guido – welch ein Stuck
Die Dresdner Galerie zu schmucken!
Doch dazu wahlt’ ich mir den schonern Augenblick,
Da sie, entdeckt vom ganzen kleinen Schwarme
Der Gotterchen, den Grazien in die Arme
Getragen wird, und (was ihr subes Staunen mehrt)
Sich Schwesterchen, sich Psyche nennen hort,
An jeden holden Mund, an jede Brust gedruckt,
Der Zartlichkeit, wovon ihr Herz erstickt,
Sich uberlassen darf, und kussend und gekubt
Vernimmt, dab alles hier um ihrentwillen ist.

Indem sie unter so viel Freuden
Sich selbst vergibt, erhascht die kleine Schaar
Den Augenblick, der ihnen gunstig war
Zur Grazie sie umzukleiden.
In einem Wink steht sie gewandlos da,
Beschamt den losen Blick der Gotterchen zu weiden,
Zu denen sie des Streichs sich nicht versah,
Sie schmiegt, um ihnen zu entrinnen,
In Pasitheens Brust ihr gluhendes Gesicht;
Die kleine Blode wubte nicht
Wie viel die Grazien selbst bey dieser Tracht gewinnen.
Ein lieblich Mittelding von Ideal
Und von Natur, auch zwischen Huldgottinnen
Noch reitzend, steht sie da, der Wahl
Des schonsten Gottes werth, der, hoch aus Rosenluften
Auf einen Zefyr hingebuckt
Im Geiste sie an seinen Busen druckt.

Und nun, da Amfitritens Gruften
Apollons goldner Wagen naht,
Entsteigen sie dem kuhlen Bad.
Schon wallet von den weiben Huften,
Wie Silberduft, Sokratisches Gewand
Zum schonen Knochel reitzend nieder,
Und Psychen flicht Aglaiens eigne Hand
Die Rosen ein, die Amors kleine Bruder
Fur sie gepfluckt. In einem Myrtensahl
Folgt itzt dem Bad ein leichtes Gottermahl
Von Frohlichkeit und subem Schmerz gewurzet,
Dem Mahl ein Lied, dem Lied ein Grazientanz;
Sie tanzen nymfenhaft geschurzet
Auf kurzem Gras, bey Lunens Silberglanz,
Indeb geschaft’ge Amoretten
Fur Amors Braut ein sanftes Lager betten.

Den Grazien und den Amoretten
Schliebt itzt auf ihren Rosenbetten
Der weiche Schlaf die Augen zu:
Nur Psychen labt die Freude keine Ruh’
Sich an dem schonen Ort zu sehen.
Noch fabt sie nicht wie ihr geschehen;
Nur dieses einz’ge fuhlet sie,
Der Ort und was sie da gehoret und gesehen,
Sey nicht ein Spiel der Fantasie.
Was labt nicht solch ein Anfang hoffen?
Geliebt vom schonsten Gott, und wo sie geht ein Schwarm
Von Zefyrn und von Amorinen
Und Charitinnen Arm an Arm,
Die neue Venus zu bedienen!
Wem wurde nicht der Kopf von solchen Bildern warm!
Auch sieht sie schon den hellen Himmel offen,
Sieht jeden Gott verliebt in Amors Gluck
Und Eifersucht in jeder Gottin Blick,
Schwimmt um und um in Glanz und Wohlgeruchen,
In Harmonie und nahmenloser Lust,
Und wird zuletzt – an Amors Brust
Vom Schlummer unvermerkt beschlichen.

Vermuthlich denken Sie – “Ich? spricht die Priesterin:
Sie selbst, wo denken Sie wohl hin,
Zu glauben, dab bey dieser Stelle
Sich was besondres denken labt?”

Ich meinte nur, erwiedert Alkahest,
Die Ursach’ ware ziemlich helle.
Von Amorn liebe sich, schon seinem Rufe nach,
Ein wenig Hinterlist vermuthen.
Dient ihm sein Pfeil statt aller Zauberruthen,
Wer dachte, dab es ihm an Willen nur gebrach?
Auch offnet er sich Psychens Schlafgemach
Und schleicht hinzu und – schaut. – Kann Venus schoner liegen?
Wie sanft sie ruht! Wie schmeichelhaft
Die leichten Traume sich auf ihrem Busen wiegen!
Und was aus eifersucht’gem Taft
Sein irrend Auge niederziehet,
Ein Tithon hatte sich zum Jungling dran vergafft!
Wie hatte Vater Zevs vor diesem Fub geknieet,
Der halb versteckt nur desto mehr verfuhrt!
Und Amor, der aus Liebe sie entfuhrt,
Er sah noch mehr und – wurde nicht geruhrt?
Nichts scheint vom Glaublichen sich weiter zu entfernen,
Ich geb’ es zu. Allein, wir werden bald
Zwey Amorn unterscheiden lernen,
Halbbruder zwar, allein an Herkunft und Gestalt
Und Neigung wahre Gegenfuber.
Der eine findt den Mund unendlich suber
Der reitzend kubt, als den der gottlich spricht,
Und ihn versucht die weiseste der Musen
Vielleicht durch einen schonen Busen,
Doch sicherlich durch ihre Weisheit nicht.
Der andre sieht im schonsten aller Busen
Nichts als – der Unschuld Wiederschein;
Ihm sind nur Seelen schon, und fand’ er an Medusen
Das Innre liebenswerth, sie wurd’ ihm Venus seyn.
Der Rest ist nichts warum er sich bekummert;
Die Tugend, die durch Psychens offne Brust,
Wie durch Krystall, ihm in die Seele schimmert,
Labt fur gemeine Augenlust
Ihm keinen Sinn. – Sie lacheln einer Tugend
Die kaum mit Puppen noch gespielt?
Doch unser Amor sieht in Psychens gruner Jugend
Den Herbst bereits, den noch die Knosp’ enthielt,
Und das Vergnugen selbst sein Knospchen zu entfalten
Ist ihm, der blob Platonisch fuhlt,
Mehr als genug sein Herz zu unterhalten.

Indessen, ob er gleich das liebe Kind bey Nacht
Nicht in der Ruhe storen wollte,
So war er doch nicht minder drauf bedacht,
Dab sie so schon erwachen sollte
Wie noch kein Erdenkind erwacht.
Neun Musen, rings um Psychens Bette
Gelagert, wirbelten so reitzend in die Wette,
Dab Psyche, die davon erwacht,
Schon im Olymp zu seyn sich ganzlich uberredet.

Sie sangen, wie der Krieg, der in der alten Nacht
Das ungestalte Heer der Atomen befehdet,
Auf Amors Wink der Ordnung Platz gemacht,
Wie neue Formen sich zu bilden angefangen,
Und, von der Liebe Geist geschwellt,
Voll sympathetischem Verlangen
Die Keime gleicher Art einander angehangen,
Bis durch den Ocean des Äthers Welt an Welt
Gleich Fruhlingstagen aufgegangen.
Der neue Amadis, 1. Gesang 2
Nenn’ uns, Thalia, die Damen! – Vor allen, als Aelteste, hebt
Sich Leoparde heraus, die unerbittlichste Sprode,
Mit groben Junonischen Augen; fur die, gleich zartlich und blode,
Ihr Ritter, Trebisond, nur an einem Faden noch lebt.
Zur Rechten pranget an ihr Princessin Dindonette,
Sie, und ihr Eichhorn, und Puck, ihr kleiner turkischer Hund.
Ein gutes Madchen, zu Tisch und zu Bette,
Fromm, wie ein Lamm, an Leib und Seele rund,
Nur (flustert der Neid, nicht ohne scheinbaren Grund)
Ein wenig zu dumm, und ein wenig zu fette.
Zur Linken spitzt mit gezierter Anmuth den Mund
Princessin Schattulliose, die Keusche;
Und Fraulein Colifischon macht mit sehr vielem Gerausche
Das Schooskind von Mama, und – ihre Thorheit kund.
Nie steht ihr Maulchen still, stets flattern ihre Blicke,
Nie labt sie Hand’ und Fusse ruhn;
Voll Launen, und kleiner schalkhafter Tucke,
Macht ihr quecksilberner Witz sich immer was zu thun,
Das andre verdreubt; und weib sie nichts anders, ey nun,
So fliegt wie der Blitz die pudervolle Perucke
Von Trebisonds Kopf. Denn Fraulein Colifischon
Kennt kein Gesetz als jedes Augenblicks Laune,
Und diese lauft, wie gehext, mit ihrem Verstande davon.
Im ubrigen eine reizende Braune!

Dem weinerlichen Bleumourant,
(Dem Sohn und Erben des Kaysers von Trebisonde)
Zur Rechten, glanzt weibhalsig, weib von Hand
Und Stirn und Haar, in aurorafarbnem Gewand,
Mit Diamanten bedeckt, Mib Blaffardine, die Blonde;
So blond, und so sehr in ihre Blondheit verliebt,
Dab lange schon niemand die Muhe sich giebt,
Um ihrentwillen auch nur in einer Ode zu sterben.
Ihr frostiger Blick entnervt die kuhnste Phantasie,
Und ihre Schonheit verspricht, weil noch kein Ritter fur sie
Sich blond genug fand, der Nachwelt keinen Erben.

Don Caramel schliesset den Kranz, ein edler Ritter, und traun!
Nicht hablich, sogar in Blaffardinens Augen,
Schon wie ein Herkules, allein, zum Ungluck, braun.
Kein Mann, dem Ansehn nach, nur blob an Blicken zu saugen;
Ein hubsches Modell zu einem Gebnerschen Faun,
Doch in der Liebe ganz Geist, (So kann das Ansehn trugen!)
Gewohnt, sich ohne Sold am Anschaun zu begnugen;
Ein Erbe der Tugend und Zucht des sel’gen Seladon,
So zartlich wie er, so sub von Manieren und Ton,
So weiblich von Gefuhl, obgleich von mannlichern Zugen.
Stets war er fertig, zu Pferd und zu Fub
Fur Platons Amorn sich mit Riesen und Zwergen zu schlagen,
Die Liebe durfte bey ihm auch in Gedanken nichts wagen,
Als hochstens einen ecstatischen Kub,
Doch nur auf die Hand. Nach Ritter Caramels Sagen
War Dindonette selbst IN NATURALIBUS
Fur ihn ein blosser Geist in einer Vertugade.
Hingegen hatten bey ihm die Schonen alle Verstand,
Und in Betracht der schonen Seele fand
Ein Busen, so reizend er war, vor seinen Augen Gnade.

Aus allen Freyern von Morgen, Mittag und Mitternacht,
Die an Schah Bambo’s Hof sich wie die Meereswogen
Ergossen, hatte Amors Macht
Nur diese zween den Schwestern nachgezogen,
Als ein Orakel, das Bambo sehr lacherlich fand,
Sie, was sie nicht hatten zu suchen, verband.
Der Bleumourant, entschlossen, sich ewig zu tauschen,
Hoft aus Verzweiflung, und wird durch keine Mibhandlung geheilt.
Dem andern, der Dindonetten und Schattulliosen, der Keuschen,
Sein Herz zu gleichen Theilen vertheilt,
Giebt, seinem Plato sey Dank! die Liebe sussere Stunden.
Nicht etwan, dab er sie schon zum capitulieren gebracht;
Ach! Nein; von Dieser wird ihm noch alles streitig gemacht,
Und Jene, beschaftigt mit ihren Puppen und Hunden,
Gab auf die erhabensten Spruche mit halbem Ohre nur Acht.
Allein, er hatte doch schon, vom Mantel der Freundschaft umwunden,
Bey beyden den Weg zu ihren Herzen gefunden.
Von ihm besorgte man nichts; er durfte die Halfte der Nacht,
An Dindonettens Bette sich setzen,
Und zwischen Wachen und Schlaf mit Mahrchen sie ergotzen.

Ihr kennet nun, Freunde, so viel euch fur itzt
Zu wissen dient, die Hauptpersonen im Stucke.
Die ubrigen werden, so wie ihr gutes und boses Geschicke
Ins Spiel sie mischen wird, vor euerm gunstigen Blicke
Sich stellen, wie sie sind, nicht wie sie ein Phidias schnitzt.
Denn Bambo’s Tochter (gesagt im Vertrauen)
Sind, gegen den ritterschaftlichen Brauch,
Die Pure Natur, und ihre Ritter auch.
Wir bessern nicht gern an den Werken der ALMA MATER RERUM,
Und lieben den Spruch: RIDENDO DICERE VERUM.

Die Gesellschaft sondert nunmehr nach der Tafel einzeln sich ab
Um wo es jedem beliebt der Mittagsruhe zu pflegen.
Don Bleumourant (mit einem entsetzlichen Degen
An seiner Seite, den ihm der Zauberer Padmanab,
Sein Pathe, mit auf die Wanderschaft gab)
Sucht, seinen Schmerzen nachzuhangen,
Im nahen Walde den allerwildesten Ort,
Wo Hecken und Busche fein dicht sich in einander mengen.
Da wirft er sich an eines Giebbachs Bord,
Und klagt den Nymphen sein Leiden von Leoparden, der Strengen.

Herr Caramell lag inzwischen, von einem Lorbeerstrauch
Umschattet, zuchtiglich zu Schattulliosens Fussen,
Und schien, wie dort bey Armiden der Liebeskranke Gauch
Rinaldo, in schmachtende Blicke wollustig hinzuflieben:
Indessen die Dame, ihr rosenfarbes Gesicht
Im weiben Arme versteckt, nicht wahrnimmt oder nicht achtet,
Mit welchem Ernst’ ihr Ritter die Reize betrachtet,
Die ihm, verschonert vom dammernden Licht,
Ein Amor, unter den Falbeln an ihrem Rocke verstecket,
So wie sie zuruckgelehnt sitzt, mit schlauem Lacheln entdecket.
In einer andern Laube hielt
Mib Blaffardinen, der Blonden und Kalten,
Ein Zwerg (denn dazumahl hatten die Zwerge noch viel zu verwalten)
Den grobten Spiegel vor, den je ein Zwerg gehalten.
Sie sieht, mit dem lachelnden Stolz, den Venus auf Ida gefuhlt,
Da Paris sie zur Schonsten erkohren,
Wie herrlich Blond in Blond auf ihrer Stirne spielt.
Indeb Leoparde, die Sprode, von zwanzig bewafneter Mohren
Und einem Gewebe von Laube vor mannlichen Blicken beschutzt,
Dianen ahnlich, im Bade bey ihren Nymphen sitzt. des sel’gen Seladon.
Ein Dichter ist berechtigt, bey seinen Lesern und Leserinneneinige Kenntnib von Mythologie und Geschichte, und einigeBelesenheit in Romanen, Comodien und andern Werken der Einbildungskraftund des Witzes vorauszusetzen. Es wurde daher sehr unnothigseyn, zu solchen Namen Anmerkungen zu machen, welche einem jedenbekannt seyn mussen, der nur den kleinsten Grad von Belesenheithat. Der eben so schone als zucht – und tugendreiche SchaferSeladon, der Held des groben Pastoral-Romans desehrlichen alten M. D’URFÉ, ist unstreitig einer von diesenallgemein bekannten Nahmen in der poetischen Welt; man sagt zartlichwie ein Seladon, wie man zu sagen pflegt, schon wie einAdon, oder tapfer und hoflich wie Don Quixotte; und jedermannversteht, was man damit sagen will, wiewohl sich in unsern Tagenschwerlich drey Personen in ganz Europa finden mochten, welchesich mit Wahrheit ruhmen konnten, die Astraagelesen zu haben. Inzwischen wollen wir doch bey dieser Gelegenheitdenenjenigen von unsern schonen Leserinnen, welche furden seligen Seladon etwas mehr als eine blobe ESTIME SURPAROLE (wie es Helvetius nennt) zu haben wunschten, und gleichwohl nicht Muth genug haben, sich an einen so voluminosenund mit so viel Theologie, Philosophie und allen andern Artenvon Gelehrsamkeit angefullten Roman, als die Astraades Marquis d’Urfe ist, zu wagen, – die neue Astraaeines Ungenannten empfohlen haben, welche die Quintessenzder alten in einem kleinen modernisirten Auszuge liefert, undim 9. Theile der BIBLIOTHEQUE DE CAMPAGNE, nach der GenfischenAusgabe von 1761, zu finden ist.

IN NATURALIBUS, d. i. in demjenigen kunstlosen Zustande, worinnLucian die drey Gottinnen dem Urtheil des Paris, Ariostdie schone Angelica den Blicken des Ruggieri, unddie schone Olympia (welcher er in gewissen Stucken denVorzug vor jener zu geben scheint; s. die 67. 68. u. 69. Stanzedes 11. Gesangs des Orlando) den Augen seiner Leser; Thomsonin seinem Sommer die schone Musidora der verstohlnenBeschauung des jungen Damons, – und auch der trivialste Farbenkleckerdie Stammaltern des menschlichen Geschlechts (wiewohl sohablich, dab die strengsten Verurtheiler derNuditaten damit zufrieden seyn konnen) ohne Bedenkenden Augen der Andacht selbst in jeder Dorfkirche aussetzt.

Die Vertugade, fur welche wir kein schicklichesdeutsches Wort finden konnten, ist ein Stuck der weiblichenKleidung des sechszehnten Jahrhunderts, welche man aus Gemahldendieser Zeit am besten kennen lernt. Sie war gerade das Gegentheilder gewohnlichen Tracht, welche man den Grazien giebt; wenndiese der Imagination alle Muhe erspart, so machte ihrs jenebeynahe unmoglich zu errathen, was fur eine Figur unterdieser Verkleidung verborgen seyn konne.

Wir bessern nicht gern u. s. w.
Wie man unserm Dichter die Freyheit, nach dem Beyspiele Buttlers, Priors, und andrer, lateinische Brocken in seine Verse einzumengen, aufnehmen werde, lassen wir dahin gestellt seyn. Denen, welchekein Latein verstehen, dienen wir inzwischen mit der Nachricht, dab die ALMA MATER RERUM die Mutter Natur sey, unddab RIDENDO DICERE VERUM (ein halber Horazischer Vers)nichts mehr bedeute, als, die Wahrheit lachend sagen; – eine Kunst, welche (im Vorbeygehen zu sagen) eben nicht so leicht ist, alsuns diejenigen gerne bereden mochten, die nichts davon verstehen.

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III - CHRISTOPH MARTIN WIELAND